Interaktiver Lösungsansatz
für Geometrierekonstruktion (”reverse engineering”)
Harald Eckert / Nov.
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1. Vorwort
Im Ramen der immer mächtiger werdenden
Konstruktions- und Visualisierungs-systeme, in denen entweder 3-dimensional
konstruiert wird und/oder große Mengen von 3D-Geometrie in schattierter
Darstellung dargestellt werden (z.B. Digital MockUp - digitales Anschauungsmodell),
existiert ein großer Bedarf an Aufarbeitung von Altinformationen,
um auch bei der Modifikation von Altgeräten (z.B. konventionell konstruierte
Flugzeuge) mit modernsten Konstruktionssystemen arbeiten zu können.
NC-Messmaschinen, Videotechnik und verschiedenartige
Lasertechniken ermöglichen die 3D-Digitalisierung. Im Moment sucht
man nach Möglichkeiten, aus den dabei entstehenden Punktwolken möglichst
hochwertige Geometrie (z.B. CATIA-Solid-E mit CSG (Construktive Solid Geometry)
- Baum, STEP-advanced-boundary-representation) zu generieren.
Aus den Erfahrungen, die der Autor im Rahmen
eines CAD-Projektes mit der sogenannten ”intelligenten Digitalisierung”
im 2D-Bereich gemacht hat, wird ein Vorschlag gemacht, wie durch interaktives
Zusammenschalten von 3D-Digitalisierung, Regelflächenerkennung und
Konstruktionssystem ein optimaler Arbeitsprozess für die Geometrierekonstruktion
(”reverse engineering”) zusammengestellt werden kann.
2. Intelligentes 2D-Digitalisieren
Die anstehende Aufgabe bestand darin, daß
einige tausend ”Uberfrässchablonen”, die zur Herstellung von Flugzeug-Blechbiegeteilen
bei der Erzeugung der dabei benötigten 2D-Blechrohlinge verwendet
wurden, in einer für die NC (Numerical Control) - notwendige analytische
Geometrie zu wandeln war.
Beim ”Intelligenten 2D-Digitalisieren”
wurde bewußt auf das automatische Punktwolken-Erzeugen durch automatisches
Konturverfolgen verzichtet.
Vielmehr wurde ein graphisch interaktives
2D-NC-Programmiersystem, das mittels eines Bilschirmsystems ADAGE 4250
auf einem IBM-MVS-Rechner betrieben wurde wie folgt mit einem Nestler-Digitalisiertisch
verkoppelt:
-
Am Nestler-Digitalisiertisch wurde an Stelle
der Digitalisierlupe eine drehbare Meßschneide angebracht, mit der
die Außenkontur der zu digitalisierenden Kopierschablone angetastet
werden konnte.
-
Der ladbare Microcode des Nestler-Digitalisiertisches
wurde so programmiert, daß er eine 6 Byte lange Information an einer
seriellen Schnittstelle abgegeben werden konnte, wenn eine der Bedientasten
gedrückt wurden.
-
Die 6 Byte lange Information enthielt neben
je 2 Byte x- und y-Koordinaten auch Angaben über die gedrückte
Taste, womit zusätzlich zu den Standard-Funktionstasten der Programmablauf
des 2D-NC-Programmiersystem beeinflußt werden konnte.
-
Über ein in den internen Datenbus der
ADAGE 4250 hineinwirkendes Interface-Geräte und einen veränderten
Microcode der ADAGE 4250 konnten die 6 Byte dem 2D-NC-Programmiersystem
zur Verfügung gestellt werden. (Beim Übergang zum IBM 5086 wurde
das gleiche mittels eines seriellen Ports, der rechnerseitig als zusätzliche
graphische Adresse betrieben wurde, verwirklicht).
Mit dieser Gerätekombination war folgende
Arbeitsweise möglich:
-
Die zu digitalisierend Schablone wurde beliebig
auf dem Nestler-Digitalisiertisch fixiert.
-
Durch Messung von 3 Punkten wurde die Lage
der X-Achse und des Koordinaten-Nullpunktes bestimmt.
-
Zur Geometridefinition im 2D-NC-Programmiersystem
wurden fallweise Punktdaten vom Nestler-Digitalisiertisch herangezogen,
wobei die wichtigsten Funktionstasten (POINT, LINE, ARC, CIRCLE) von Nestler-Digitalisiertisch
aus betätigt werden konnten.
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Zur Nachprüfung konnten zusätzliche
Punkte gemessen, in das 2D-NC-Programmiersystem eingelesen und mit der
vorher erzeugten Geometrie verglichen werden.
Der Vorteil dieser Arbeitsweise bestand darin,
daß
-
eine echte Rekonstruktion der Geometrie durchgeführt
werden konnte,
-
vergleichsweise wenig Aufwand betrieben werden
mußte und
-
augenscheinlich durch den Gebrauch entstandene
Verletzungen der Schablonen sich nicht im Rekonstruktionsergebnis wiederfanden.
3. Interaktives 3D-Digitalisieren
Analog zum ”Intelligenten 2D-Digitalisieren”
soll das ”Interaktive 3D-Digitalisieren” eine Art des ”reverse
engineering” -- d. h. das Ermitteln von möglichst hochwertiger
Geometrie (CSG - Constructed Solid Geometry, Volumen, Fläche, Kurve,
Punkt) aus 3D-Messpunkten -- sein, das an einem Arbeitsplatz folgende Komponenten
vereinigt:
-
3D-Konstruktionssystem (z.B. CATIA)
-
3D-Digitalisierer (z.B. Koordinaten-Messmaschine,
3D-Laser-Scanner, 3D-Bildauswertung, ...)
-
Steuerungsfenster für den 3D-Digitalisierer
-
Video-Bild vom zu digitalisierenden Objekt
Die gezeigte Anordnung soll die Digitalisierung
und Umwandlung der abgegriffenen Geometrie (Punkte, Polygone, Punktmuster)
in höherwertige Geometrie (Kurven, Flächen, begrenzte Flächen)
und den anschließenden Zusammenbau zu strukturierten Volumen in einem
Arbeitsgang ermöglichen.
Vorteile:
-
Die zu messende Punktemenge kann drastisch
reduziert werden.
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Die Flächenzuordnung von Messpunkten
ist problemlos, da die Messpunkte jeweils sofort weiterverarbeitet werden.
-
Im 3D-Digitalisierer kann höhere Funktionalität
(z.B. Regelgeometrie-Erkennung) verwirklicht werden.
-
Fertigungs- oder Gebrauchs-bedingte Unregelmäßigkeiten
des Digitalisierobjektes können eliminiert werden.
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Rationelle Zusammenfassung von Digitalisierung
und Rekonstruktion von Bauteilgeometrie.