Eine Herausforderung
für Sänger und Zuhöre
“Neue Chorgemeinschaft” und “Jubilate-Chor”
führen die “Johannespassion” von Johann Sebastian Bach auf
Landkreis
Ebersberg - Wohl selten in der Geschichte des Landkreises haben sich
nicht nur gleich zwei Chöre der Passionsgeschichte angenommen, sondern
wollen auch das gleiche Werk zur Aufführung bringen. Doch genau das
ist in diesem Jahr geschehen. Sowohl die “Neue Chorgemeinschaft” als auch
der “Jubilate-Chor” führen die “Johannespassion” von Johann Sebastian
Bach in der Zeit vor Ostern auf.
Da Bach anlässlich seines 250. Todestages in diesem Jahr ständig im Mittelpunkt steht, ist es nicht unge- wöhnlich, dass eine Passionskompo- sition dieses Musikers gewählt wurde. Ungewöhnlicher ist schon eher, dass die Wahl ausgerechnet auf die “Johannespassion” gefallen ist. Mehr als eineinhalb Jahrhunderte lang stand dieses Werk von Johann Sebastian Bach im Schatten seiner Matthäuspassion, die durch ihren monumentalen Umfang, ihre oratorische Tiefgründigkeit und majestätische Größe besonders ansprach. Heute lässt sich die Johannespassion im Wissen um die besonderen Umstände ihrer Entstehung besser verstehen und entsprechend würdigen. Die Kompositionsgeschichte dieses Werks ist außerordentlich komplex und lässt immer noch viele Fragen offen. Bach führte die Johannespassion zum ersten Mal am Karfreitag 1724 beim Vespergottesdienst in der Leipziger Nikolaikirche auf, danach wurde sie mehrfach umfassend überarbeitet, erschien aber nie in einer definitiven Form. Um die Passion in die Liturgie der Karfreitagsvesper einzubinden, wurde die Musik in zwei Hälften aufgeteilt, der erste Teil wurde vor der Predigt, der zweite danach gespielt. |
Die Johannespassion, Bachs erstes Werk in diesem Genre und seine erste
wirklich umfangreiche Komposition, ist in fünf Versionen überliefert,
ein Anzeichen dafür, dass der Komponist mit dem heterogenen Libretto
geradezu experimentierte und sich an mehreren konzeptionellen Ansätzen
versuchte. Die textliche Grundlage der Johannespassion bildet das Evangelium
nach Johannes, Kapitel 18 und 19, und nach Matthäus, Kapitel 26, 75
und Kapitel 27, 51-52. Für die restlieben Textteile kommt eine ganze
Reihe von Vorbildern in Betracht, unklar ist aber bis heute, ob Bach die
Texte selbst zusammengestellt oder dies ein Librettist besorgt hat.
Der lange und komplexe Werdegang der Johannespassion verstellt leicht den Blick auf dessen Qualitäten und die musikalische Substanz. Denn das gesamte Werk zeichnet sich durch große musikalische Meisterschaft und Originalität aus. Dies gilt besonders für den Aufbau deseinleitenden und abschließenden Chors, die die Johannespassion umrahmen und höchst unkonventionell sind. Ungewöhnlich breit angelegt sind auch die “Turbae”, das sind die Choralvertonungen der Einwürfe des Volkes. Der Evangelist berichtet ausführlich von der Beteiligung der Menschenmenge an den Ereignissen, die die Kreuzigung umgeben. Dieses Element der biblischen Erzählung griff Bach auf und hob Sie, dramatisch äußerst wirksam, musikalisch hervor. Besonders eindrucksvoll und eindringlich stellt die Johannespassion das Leiden des Erlösers am Kreuz dar. Damit fordert diese Komposition die emotionale Gestaltung durch die Sänger in besonderem Maße heraus |
Zwei Chöre haben sich
dieser Herausforderung gestellt. Erstmalig bringt die “Neue Chorgemeinschaft
Dr. Bernhard Marc” die Johannespassion zusammen mit dem Denninger Kammerorchester
unter Leitung von Konstantin Köppelmann zur Aufführung. Als Solisten
wirken mit: Ursula Schulze, Sopran, Lori Liebelt, Alt, Michael Elliscasis,
Tenor (Evangelist), Ingolf Kumbrinck, Bariton, und Patrick Weglehner, Bass
(Christus). Die Aufführungen finden am Samstag, 15. April, um 20 Uhr
in der Pfarrkirche Maria Königin in Baldham und am Sonntag, 16. April,
um 19 Uhr in der katholischen Pfarrkirche in Grafing statt.
Der “Jubilate-Chor” unter Leitung von Matthias Gerstner bringt die “Johnnespassion” im Rahmen seines Projekts “Bach 2000” eine Woche später, am Karfreitag, 21. April, um 18 Uhr in der Wallfahrtskirche St. Ottilien zur Aufführung. Zwar hat der “Jubilate-Chor” die “Johannespassion” bereits vor zwei Jahren aufgeführt, angesichts schwieriger Passagen waren intensiven Proben für die neuerliche Aufführung notwendig. Zudem hat das Zornedinger Ensemble viele neue Sängerinnen und Sänger hinzugewonnen. Die Solisten sind zum großen Teil alte Bekannte, die bereits bei früheren Konzerten im Landkreis mit von der Partie waren: Susanne Winter, Sopran, Christa Mayer, Alt, Hubert Schmid, Tenor (Evangelist und Arien), Thomas Gropper, Bass (Arien), und Martin Cooke, Bass (Jesus). Die orchestrale Ergänzung übernimmt das Kammerorchester Dieter Sauer. Mit dieser Doppel-Aufführung bietet sich die vielleicht einmalige Gelegenheit, die “Johannespassion” von Bach direkt vor der Haustür in vergleichenden Interpretationen erleben zu können. EVELYN VOGEL/
SABINE RADLOFF
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Das Verhalten der Menschenmenge rund um das Kreuzigungsgesche-
hen steht bei der Johannespassion im Mittelpunkt. Albrecht Dürer stellte in seinem Holzschnitt die Szene dar, in der Pilatus den gemarter- ten Christus vorführt. Foto: SZ-Archiv
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Zurück zur Neuen_Chorgemeinschaft
Es ist vollbracht!
O Trost für die gekränkten Seelen! Die Trauernacht Läßt mich die letzte Stunde zählen. Der Held aus Juda siegt mit Macht Und schließt den Kampf. Es ist vollbracht! Baldham - Es war zur zehnten Stunde nach Mittag, als es denn
vollbracht war. Und in der Stille war nur der Klang der Glocke zu hören.
- So hatte man es sich gewünscht und die Zuhörer hielten sich
daran. Kein Klatschen, keine Begeisterungsbekundungen. Sänger und
Musiker brachten sich selbst. um den eigentlich wohl verdienten Applaus,
um das Passionsgeschehen würdig zu beschließen. Im Nachhinein
wünschte man ihnen, dass sie diesen Gradmesser ihres Erfolgs nicht
von sich gewiesen hätten. Doch in der Minute, als der letzte Ton verklungen
war, als alle still da saßen und nur der Klang der Glocke diese Stille
durchbrach, war es perfekt: ein ergreifender Moment.
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Johannes-Passion von Bach in der Baldhamer Pfarrkirche Maria
Königin zur Aufführung. (Eine zweite Aufführung fand am
Sonntag in Grafing statt.) Natürlich waren auch die Grenzen dieses
Laienchors, der sich in den letzten Jahren bemerkenswert entwickelt hat,
nicht zu übersehen. Doch insgesamt gelang eine wirklich schöne
Interpretation, welche beeindruckend die Beweglichkeit des voluminösen
Klangkörpers demonstrierte.
Köppelmann setzte auf einen zarten, transparenten Barock-Klang, sowohl chorisch als auch instrumental. Das Denninger Kammerorchester, das nun schon einige Aufführungen der Chorgemeinschaft mit gestaltet hat, und die Solisten - Ruth Kornder (Orgel), Doris Seitner (Gambe) und Helmut Weigel (Laute) - trugen dazu wesentlich bei: Statt sinfonischer Dichte, kammermusikalische Durchsichtigkeit. Schön auch die Gesangssolisten, besonders Ursula Schulze (Sopran), Patrick Weglehner (Christus) und Michael Elliscasis (Evangelist) gefielen. Elliscasis' Rezitative waren außerordentlich gut akzentuiert und artikuliert. Ingolf Kumbrinck hinterließ einen etwas |
schwankenden Eindruck, Lori Liebelt schien sehr
indisponiert.
Während die “Neue Chorgemein- schaft" im ersten Chor noch leichte Schwächen zeigte - schade, gerade der Auftakt bleibt nun einmal in Erinnerung -, fand sie im Laufe der zweistündigen Aufführung zu einem immer besser aufeinander abgestimmten Klangkörper zusammen. Insgesamt gelangen die Choräle sehr schön, bewegt und eindringlich, in der Stimmverteilung meist sauber. Die Schwächen lagen hier eher in der Artikulation. Besonders in den Passagen, in denen die Hetze des Volkes gegen Jesus zum Ausdruck gebracht wird, bewiesen die Sängerinnen und Sänger der “Neuen Chorgemeinschaft” ihre Flexibilität und ihr Stimmvolumen. Mit schnellen, präzisen Einsätzen setzten sie hier dramatische Akzente. Als sie ihr “Kreuzige, kreuzige” intonierten, meinte man den Hass der Meute, den Bach als ein zentrales Thema in der Johannes-Passion heraus arbeitete, deutlich zu spüren. Eine gelungene Aufführung - auch ohne Applaus. EVELYN VOGEL
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Der “Neuen Chorgemeinschaft” und dem Denninger Kammerorchester gelang
in der Baldhamer Pfarr-
kirche Maria Königin eine schöne Aufführung der Johannes-Passion. Foto: Linde Schleinkofer
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Zurück zur Neuen_Chorgemeinschaft
„Absolut keine Konkurrenz“
Die Leiter des „Jubilate-Chors“ und der „Neuen Chorgemeinschaft“ zum
Passions-Doppel
Landkreis Ebersberg - Die „Neue Chorgemeinschaft
Dr. Bernhard Marc“ aus Vaterstetten hat ihre Passionsaufführungen
erfolgreich absolviert. Sie sangen vergangenes Wochenende in Baldham und
Grafing in zwei sehr gut besuchten Konzerten die Johannes-Passion von Bach.
Der „Jubilate-Chor“ aus Zorneding hat seine Aufführung noch vor sich.
Denn auch dieser Chor hat sich zum 250. Todesjahr des großen Komponisten
der Johannes-Passion von Bach gewidmet und führt sie im Rahmen der
Konzertreihe „Bach 2000 im Landkreis Ebersberg“ am Karfreitag, 21. April,
um 18 Uhr in der Wallfahrtskirche St. Ottilien Möschenfeld auf..
Was in München gang und gäbe ist, dass jedwede Passion um Ostern herum in vielfacher Aufführung zu hören ist, hat nun auch den Landkreis ereilt. „Ein Zufall", betonen beide Chorleiter, Matthias |
Gerstner vom „Jubilate-Chor“ und Konstantin Köppelmann
von der „Neuen Chorgemeinschaft“. Ein Zufall, der im Bach-Jahr fast schon
auf der Hand lag. Für beide Chöre wäre eine Aufführung
der zweiten, vollständig vorhandenen Passionskomposition von Bach,
der Matthäus-Passion, ein ungleich größerer Kraftakt gewesen.
Sie ist doppelchörig aufzuführen und benötigt ein größeres
Orchester. Darüber hinaus käme nach Meinung von Gerstner nur
eine Kirche im Landkreis vom Platz her für eine Aufführung in
Frage, die Ebersberger Pfarrkirche. Und da mag man es, nach seiner Erfahrung,
an Karfreitag eher ruhig.
Trotz des dreifachen Angebots der Johannes-Passion von Bach musste sich keiner der beiden Chöre um sein Publikum Sorgen machen. Beide haben über ihre Mitglieder eine große Hausmacht, die verhältnismäßig |
weit über den Landkreis gestreut ist.
So ist die Aufführung des „Jubilate-Chors“ am Karfreitag auch beinahe
ausverkauft. (Es gibt nur noch Restkarten und Stehplätze an der Abendkasse.)
Übereinstimmend bewerten die Chorleiter dieses Zusammentreffen der gleichen Aufführung als „Bereicherung, keineswegs als Konkurrenz“. Die wäre womöglich entstanden, wenn beide Chöre ihre Aufführung auf den Karfreitag gelegt hätten - für den Kirchenmusiker Gerstner der Tag, „auf den die Passion gehört“. Köppelmann, der ebenfalls Kirchenmusiker, und zwar in München, ist und entsprechende Verpflichtungen hat, ist jedoch froh darüber, dass er mit seiner nicht kirchlich organisierten Chorgemeinschaft auf den Palmsonntag ausweichen konnte. „An Karfreitag wäre es bei mir gar nicht gegangen.“ EVELYN VOGEL
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Zurück zur Neuen_Chorgemeinschaft
Möschenfeld - Das strahlende Karfreitagswetter
schien so gar nicht zu der Leidensgeschichte Jesu zu passen. Die verzweifelten
Rettungsversuche Pilatus' prallten nicht nur am Widerstand des Volkes ab,
das den in ihren Augen selbst ernannten König der Juden ans Kreuz
genagelt sehen wollte. Auch das helle Sonnenlicht, das sich den Weg durch
die Kirchenfenster bahnte, tat das seinige dazu, um die Dürsternis,
die sich um Jesu letzte Worte, ”Es ist vollbracht", legen sollten, zu verhindern.
Als die Passion nach Johannes mit der beschwörenden Choral-Formel
”Ich will dich preisen ewiglich" verklang, meinte man atmosphärisch,
die österliche Geschichte schon um Tage vorgerückt zu erleben,
näher der Auferstehung, denn der Grablegung.
Mit der Aufführung der Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach durch den Zornedinger ”Jubilate-Chor” in der Wallfahrtskirche Möschenfeld erlebte der von Kirchenmusiker und Chorleiter Matthias Gerstner initiierte Bach-Zyklus 2000 im Landkreis einen Höhepunkt. Und nicht nur dieser. Denn da in diesem Jahr zwei Chöre innerhalb weniger Tage die Bachsche Johannes-Passion |
aufführten, durfte man gespannt sein, wie
der Jubilate-Chor die Umsetzung vornehmen würde. Die Aufführung
forderte zu Vergleichen unweigerlich heraus:
Unterm Strich bleibt fest zu stellen: Chorische Stärken und Schwächen waren hier wie da aus zu machen, denn auch der ”Jubilate-Chor” (wie zuvor die ”Neue Chorgemeinschaft”) tat sich nicht immer leicht, den stimmlichen Anforderungen gerecht zu werden. Die Choräle, vom ”Jubilate-Chor” meist sehr schwer und innig gestaltet, trugen ganz wesentlich zum Gelinge bei. Sie entsprachen dem Gesamt Charakter dieser Aufführung in besonderem Maße. Eine Schlüsselstellung in der Johannes-Passion nehmen die drama- tischen Chöre des Volkes ein, die so- genannten Turbae. Ihre schnellen antreibenden, meist aufhetzender Einwürfe setzen außergewöhnliche Akzente und bringen das Geschehen, das von den langen Rezitativen des Evangelisten getragen wird, in dramatischer Hinsicht wesentlich voran. Hier wirkte sich der unterschiedliche Ansatz der beiden Chorleiter besonders aus. Gerstner setzte auf eine insgesamt dichte, aber auch schwere |
(ansatzweise schwerfällige) Interpretation,
während Köppelmann auf eine sehr agile, transparente Gestaltung
hingewirkt hatte. Diese Gesetztheit in den Turbae zu überwinden, gelang
dem ”Jubilate-
Chor” nicht immer. Nur selten blitzte eine wirklich aggressive Spontaneität auf. Über die Solisten mag man geteilter Meinung sein. Am bestechendsten schien die junge Sopranistin Susanne Winter. Auch der ebenfalls noch sehr junge Thomas Gropper, Bass, der vor allem die Rezitative des Petrus und Pilatus gestaltete, überzeugte durch seine Frische. Ihre Sache durchaus nicht schlecht machten Christa Mayer, Alt, und Martin Cooke, Bass, der den Jesus sang. Hubert Schmid, Tenor, dem als Evangelist der Löwenanteil an der solistischen Gestaltung zu fiel, artikulierte ordentlich, doch stimmlich wusste er nicht unbedingt zu überzeugen. Ein Wort noch zum Kammerorchester Dieter Sauer: Hier hatte man gewaltig mit dem Halten der Stimmung in den Instrumenten zu kämpfen, was zu einigen unschönen Unterbrechungen führte. Insgesamt eine interessante, durchaus gelungene Passions-Aufführung, allerdings von schwermütigem Charakter. EVELYN VOGEL
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Mit Höhen und Tiefen:
Der Jubilate-Chor in Möschenfelds Wallfahrtskirche.
Foto: Endt
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